Ein Stück Heimat erhalten
Zuhinterst im Glarner Hinterland, sieben Kilometer südlich des Dorfes Linthal, im abgelegenen Tierfehd, endet die Talstrasse. Hier beginnt der romantische Bergpfad auf die zweistafelige Alp, die man über die Pantenbrücke und Uelialp in gut zwei Stunden erreicht. Die Baumgartenalp mit dem höchstgelegenen Unterstafel des Kantons Glarus befindet sich auf 1602 m ü.M. Diese sagenhaft abgelegene Kulturlandschaft ist das Werk jahrhundertelanger Anstrengungen unserer Vorfahren, die den Schutthalden und Steinwüsten des Alpengebietes Wiesen und Weiden abgerungen haben. Die Baumgartenalp darf zutreffend als Paradies im Alpenraum bezeichnet werden.
Die prachtvolle Lage und die Präsenz des Tödimassivs beflügelten schon früh die Dichter, Maler und Reiseschriftsteller. Entzückend schön ist die Ansicht bei der Hütte des unteren Stafels:
Trittsichere und berggewohnte Touristen erreichen die Baumgartenalp auch über den exponierten Weg über den Tritt, der nach dem Berggasthaus Obbort über steile Felswände zur Alp führt. Dieser ehemalige Molkenweg vom Kurgasthaus zur Alp wird sich wohl zu einer Königsetappe der neuen VIA GLARALPINA entwickeln.
Mit der im Jahre 2019 eröffneten automatischen Pendelseilbahn der Kraftwerke Linth-Limmern erreicht man in wenigen Minuten die Bergstation Chalchtrittli und von dort aus in einem halbstündigen Abstieg den Unterstafel. Den Ausstieg beim Masten I kann man – aus Gründen der Sicherheit – nur noch in Begleitung der zutrittsberechtigten und geschulten Alpsennen oder der Stiftungsräte der Baumgartenalp-Stiftung benutzen.
Die Baumgartenalp wurde erstmals 1302 im Säckinger Urbar als zinspflichtige Alp erwähnt. Schon im Jahre 1376 erfolgte der Loskauf von der klösterlichen Grundherrschaft von Säckingen durch freie Landleute. Während Jahrhunderten blieb die Alp im Privatbesitz. Die Eigentümer waren in früheren Jahren gezwungen, für den Zugang auf die Alp eine Steinbogenbrücke über die abgrundtiefe Linthschlucht zu bauen. Die Beiträge an die Neubauten und den Unterhalt der Pantenbrücken von 1457, 1560, 1750 und 1854 waren enorm hoch und dieser Aufwand führte öfters zu Handänderungen an der Baumgartenalp. Trotzdem bildeten die Alpen bis zum Zeitpunkt der Industrialisierung die sichersten und ertragreichsten Kapitalanlagen.
Im Archiv der Baumgartenalp-Stiftung befinden sich noch die Originalakten der verschiedenen Kaufbriefe der damaligen Grundeigentümer. Auch im Kaufbrief vom 18. Mai 1726 weist nichts darauf hin, dass bauliche Veränderungen vorgenommen wurden. Eine dendrologische Untersuchung der Bauhölzer im bestehenden Gebäude könnte wohl das Geheimnis lüften! Beschädigt wurden möglicherweise die Gebäude im September 1799, als Feldmarschall Graf Linken mit einem Bataillon über den Kistenpass–Baumgartenalp–Pantenbrücke nach Linthal marschierte und General Suworow Flankenschutz gewährte.
Schon im 18. und 19. Jahrhundert war der hinterste Zipfel des Glarnerlandes auch eines der begehrtesten Reiseziele der Schweiz und ebenso bekannt wie der Talboden von Interlaken. Attraktionen waren die vom Zürcher Stadtarzt und Gelehrten Johann Jakob Scheuchzer als Naturwunder bezeichnete Pantenbrücke, die abgrundtiefe Linthschlucht mit der tosenden Linth, der Schreyenbach sowie das Panorama der Baumgartenalp.
Hans Conrad Escher von der Linth besuchte mit dem Astronomen Caspar Horner in den Jahren 1815 und 1817 die Baumgartenalp und schuf das bekannte Panoramabild der Baumgartenalp. Im Jahr der Alpen 2002 wurde es wieder breiten Kreisen der Bevölkerung in Erinnerung gerufen.
Das Panorama der Baumgartenalp
Hans Conrad Escher war zwei Mal auf der Baumgartenalp, und zwar am 26. August 1815 und am 23. August 1817. An beiden Tagen wurde er von seinem Freund Johann Caspar Horner begleitet. Dieser Horner war kein Geringerer als der Navigator von Admiral Krusenstern, der für den Zaren Russlands die Welt umsegelte. Das Original von der Grösse 20,3 x 187,8 cm befindet sich in der Grafischen Sammlung der ETH Zürich.